Die Farbe der Nacht by Bell Madison Smartt

Die Farbe der Nacht by Bell Madison Smartt

Autor:Bell, Madison Smartt [Bell, Madison Smartt]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Liebeskind
veröffentlicht: 2013-02-18T00:00:00+00:00


39

Was, wenn das mit Laurel nie gereicht hätte? Die Aussicht auf sich endlos entfaltende Zärtlichkeit, auf Lust ohne Schmerz – das war wie Fleisch ohne Salz. Diese Vorstellung hinterließ unwillkürlich das Verlangen, ins Herz gestochen zu werden.

Dann also, eines Tages. Dann also.

O. erschien an der Lodge und fragte, ob ich Eerie gesehen hätte. Er war aufgebracht, seine goldene Haut zwischen den Brauen zerfurcht. Barfuß, hemdlos war er aus seinem Rockstar-Cabrio gestiegen und hatte sich suchend umgeblickt, ehe er zu mir kam. Ansonsten war niemand zu sehen. Das heißt, einer von diesen Bikern, die gern auf dem Grundstück herumhingen, bastelte an dem Motor eines Strandbuggys herum, aber man konnte bloß seine schäbigen Gang-Abzeichen sehen, wie er da über die offene Motorhaube gebeugt stand und ihm die Arschspalte aus der Jeans lugte.

»Nicht hier«, sagte ich zu O., was streng genommen richtig war, je nachdem, wie man hier definierte. In Wahrheit wusste ich genau, wo Eerie war – im Schulbusflügel, völlig weggetreten von dem Stoff, den Ted ihr gegeben hatte –, aber sie war eben nicht in der Lodge. Und falls O. befürchtete, dass Eerie bei D. war, nun, ich wusste, dass sie es nicht war, sondern jemand anderes.

Ich ergriff O.s Hand, bemühte mich um die Unbekümmertheit eines Hippiemädchens, die Laurel immer einsetzte, um mit irgendwas durchzukommen. Aber O. schien vor der Berührung zurückzuschrecken, also ließ ich ihn los und bedeutete ihm, mit reinzukommen.

»Komm«, sagte ich. Im Innern der Lodge zeigte ich ihm alle Ecken, wo Eerie nicht war, einschließlich D.s achteckigem Raum unterm Dach. Ein geblümtes Laken hing oben am Ende der Treppe vor der Türöffnung und wellte sich leicht in dem Luftzug, der von allen Seiten hereinströmte. Ich blieb stehen, um zu lauschen, hörte aber nichts und zog dann eine Seite des Lakens zurück.

»Pass auf, dass er dich nicht sieht«, flüsterte ich O. ins Ohr. Nicht dass es D. geschert hätte, gesehen zu werden, aber wenn er gewusst hätte, dass O. in der Nähe war, hätte er all seine Energie dafür eingesetzt, ihn dazubehalten und für irgendwas zu benutzen. Da ich nicht wollte, dass das passierte, musste ich überlegen, was ich als Nächstes tun würde.

Wie auch immer, D. schlief, oder er tat so oder war ganz nach innen gekehrt – die blinde Maske bedeckte sein Gesicht, während leere Augenhöhlen rückwärts zu den Sternen rasten … Man hätte auch sagen können, dass sein Gesicht mit geschlossenen Augen friedlich aussah, sogar gütig. Sein Handrücken lag auf Laurels nacktem Bauch, knapp über dem Ansatz der krausen, zimtbraunen Haare zwischen ihren Beinen, und hob und senkte sich leicht mit ihrem Atem im Schlaf.

Ich wartete am Fuß der Treppe, bis O. das Laken wieder zurückfallen ließ und erleichtert zu mir herunterkam. Aber ich versuchte nicht wieder, seine Hand zu nehmen. Ich würde es auf meine Weise machen müssen, nicht auf Laurels.

Ich trat betont nah an O. heran und lächelte zu ihm auf. Diesmal wich er nicht zurück. O. war groß, einen guten Kopf größer als ich, deshalb musste ich den Kopf nach hinten legen, um seinen Blick aufzufangen.



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